Christopher Williams in der Galerie Gisela Capitain, Köln
Die Relevanz kryptischer Informationen

erschienen am 6. Oktober 2005 auf artnet.de: artnet.de/magazine/christopher-williams-in-der-galerie-gisela-capitain-koln


For Example: Dix-Huit Leçons Sur La Société Industrielle (Révision 2) heißt die Ausstellung mit Fotografien von Christopher Williams – geboren 1956 in Los Angeles, er lebt und arbeitet ebendort – die noch bis zum 8. Oktober in der Kölner Galerie Gisela Capitain zu sehen ist. Im Sommer zeigte der Braunschweiger Kunstverein For Example: Dix-Huit Leçons Sur La Société Industrielle (Révision 1). Mit dieser ist die aktuelle Schau nicht nur durch die erneut präsentierten Fotografien verbunden, sondern auch durch eine im Galerieraum auf dem Boden liegende Tür. Sie stammt aus dem Kunstverein, wo sie normalerweise die Toilettenkabine verschließt. Schon in der Ausstellung in Braunschweig war die gewölbte Tür aus den Angeln gehoben und lag, neben Büro- und anderen Türen, auf dem Boden. Ihrer ursprünglichen verschließenden und trennenden Funktion enthoben, thematisiert sie als abgelegte und ausgestellte Tür die Ausstellungssituation, die Veränderung von Kontexten und ihre Wirkung. Das nun konzeptualisierte skulpturale Objekt erinnert damit nicht nur an den engen Bezug zur vorangegangenen Ausstellung, sondern führt von dort hinein in die aktuelle Präsentation.

Unumwunden geht Christopher Williams den nicht mehr neuen, aber nie abschließend zu beantwortenden Fragen nach den Bedingungen von Präsentation und Repräsentation, vermittelter Wahrnehmung und wirklichkeitsgetreuer Wiedergabe von Realität nach. Innerhalb dieses Rahmens gilt sein Interesse der Fotografie, welche als Medium das ganze Spektrum der Problematik umfasst. Folgerichtig zeigen manche von Williams' Fotografien Kameras und Objektive. Ansonsten ist das Repertoire an Motiven überschaubar: Neben Kamera (einer Kiew-88-Kamera, dem sowjetischen Pendant der Hasselblad) und Objektiven sind Maiskolben (unter dem „reflection guide“ von Kodak), Postpaket, Blumenstand und eine hübsche Frau mit shampooniertem Haar zu sehen. Die Fotografien bestechen durch beeindruckende Brillanz und Schärfe; entstanden sind sie entweder als Silbergelatine oder Platin Prints oder – im Falle der farbigen Aufnahmen – mit dem komplizierten und kaum noch benutzten Dye-Transfer-Verfahren. In der Auflage von 10 Exemplaren kosten erstere jeweils um 7.000,- Euro, letztere bei gleicher Auflage um 9000,- Euro.

Der Konzeptualist Williams lässt fotografieren. Er wählt Motiv und Setting und beauftragt professionelle Fotografen mit der Aufnahme. Aus den Ergebnissen sucht der Künstler einige Bilder aus, bearbeitet werden sie in einem Studio. Die ausufernden und als Teil des Werkes zu betrachtenden Titel ergeben sich aus den Recherchen von Assistenten bzw. Galerie-Mitarbeiterinnen. So heißen beispielsweise die Fotografien der duschenden Dame Model #105M – R59C Kestone Shower Door 57,4 {≥x 59“/Chrome/Raindrop SKU # 109149 # 96235. 970 – 084- 000 (Miko) Vancouver, B.C. Wednesday, April 6, 2005. Darin enthalten sind Informationen nicht nur zur Technik, sondern auch zum Zeitpunkt der Aufnahme, dem bearbeitenden Studio, dem Model und zum Typ der Duschkabinentür. Alle Informationen, die irgendwie an das Bild geknüpft werden können, werden hier als Bezeichnung des Werkes verwendet. Allein, für die meisten Betrachter sind diese Informationen gar nicht vollständig zu entschlüsseln und bleiben partiell kryptische Zeichen. Bemerkenswert ist, dass trotz des hohen Informationsgehaltes eines fehlt: der Name des ausführenden Fotografen. So wird nicht nur die Relevanz von dem in Frage gestellt, was wir gemeinhin „Information“ nennen, sondern darüber hinaus der Umgang mit Autorschaft.

Alle Motive, bis auf den Blumenstand aus der Kölner Innenstadt, wurden in perfekter Studio-Atmosphäre inszeniert und erscheinen in ihrer Klarheit und ihrem Detailreichtum als Fetische – auf unnahbare Weise schön. Erst das genauere Hinsehen enthüllt Unvollkommenheiten wie die etwas unregelmäßigen Zähne oder den einmal müde abgewandten Blick des Models. Es ist die Perfektion der Aufnahme, welche dazu verführt, die Schönheit der Frau mit der Schönheit des Bildes zu verwechseln. Einmal mehr muss die vom Künstler aufgeworfene Frage nach Repräsentationsbedingungen vom Betrachter selbst beantwortet werden.

Noch bis zum 8. Oktober in der Galerie Gisela Capitain, Aachener Str. 5, 50674 Köln.