Belá Kolářová & Lucie Stahl
Die Codes der Dinge
erschienen in: Missy Magazine 01/11, S. 95
Mit Belá Kolářová & Lucie Stahl zeigt die Stadtgalerie Schwaz zur Zeit die erste Ausstellung unter der neuen künstlerischen Leitung von Cosima Rainer. Seit Sommer 2010 ist die Wiener Kuratorin Leiterin des kleinen Ausstellungshauses in der Nähe von Innsbruck, und es ist als Statement zu lesen, dass gleich ihre erste Ausstellung explizit einen Beitrag zum feministischen Kunstdiskurs leisten will. Hierfür hat sie eine aktuelle und eine historische – womöglich nicht minder „aktuelle“ – Position ausgewählt: die in Wien lebende Künstlerin Lucie Stahl (1977 geboren n Berlin) und die tschechische Neokonstruktivistin Belá Kolářová (1923 geboren in Terezíně), die nach einer Zeit im Pariser Exil bis zu ihrem Tod 2010 in Prag lebte.
Seit ein paar Jahren gibt es im europäischen Ausstellungsbetrieb den Trend, Künstler und besonders Künstlerinnen „wiederzuentdecken“ und auszustellen, denen zu ihrer Zeit nicht die Anerkennung zuteil wurde, die sie verdient hätten. Dazu gehört beispielsweise die polnische Bildhauerin Alina Szapocznikow (1926-1973), deren Arbeiten auf der letzten Documenta zu sehen waren, und Pop Art-Künstlerinnen wie Sister Corita, Rosalyn Drexler oder Evelyn Axell, denen die Kunsthalle Wien kürzlich die Schau „Power Up – Female Pop Art“ widmete. Belá Kolářová ist nun auch eine der schon historisch gewordenen Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts, deren Werk seit einiger Zeit endlich einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wird. Bis in die frühen neunziger Jahre war Kolářová trotz der Brisanz und Stärke ihrer Arbeiten kaum sichtbar in der Kunstwelt und stand im Schatten ihres Mannes, des tschechischen Künstlers und Dichters Jiří Kolář.
Die Stadtgalerie Schwaz zeigt eine Auswahl von Kolářovás Objekten, Zeichnungen und Fotografien. Material und Werkzeug sind immer Alltagsobjekte, die aus dem weiblich codierten Lebenszusammenhang stammen. Zu sehen sind zum Beispiel Röntgen- und Fotogramme von abgeschnittenen Frauenhaaren, Zeichnungen mit Make up sowie Assemblagen aus Ösen, Sicherheitsnadeln usw. Die frühesten Arbeiten stammen aus den sechziger Jahren und haben sich ihre Frische und Aktualität bewahrt, obwohl ihre Form und Ästhetik sie deutlich als Werke früherer Jahrzehnte ausweisen. Das ist aber gerade der besondere Reiz, vor allem in der Zusammenstellung mit den Arbeiten von Lucie Stahl, die mit Belá Kolářová das Interesse an Dingen und Bildern des Alltags teilt - besonders solchen, die als „typisch weiblich“ konnotiert sind wie Badeschaum, Öle oder das Bild der sich rasierenden „Dame“.
Aber auch Autofelgen, Fotoapparate und Pflanzen setzt Stahl auf den Scanner, arrangiert sie zusammen mit selbst geschriebenen Texten zu Collagen und gießt die plakatgroßen Tintenstrahldrucke von diesen Arrangements schließlich in Polyurethan. Ihre Texte schreibt die Künstlerin in der ersten Person, gibt ihnen und der jeweiligen Assemblage damit einen persönlichen Bezug, lädt sie erzählerisch auf. Die durch ihre, im Falle von Lucie Stahl wie zufällige und im Falle Kolářovás vermeintlich sachliche, Ordnung als konventionell codiert markierte Gegenstände erhalten eine feine Brechung: Auf einmal sind sie als ganz persönliche Dinge zu erkennen – und damit als umcodierbar.
Die Ausstellung findet in Kooperation mit dem Kölnischen Kunstverein statt und eröffnet dort in der Woche der Art Cologne am Mittwoch, dem 13.4.
Belá Kolářová & Lucie Stahl
Stadtgalerie Schwaz: 12.2. - 26.3.2011
Kölnischer Kunstverein: 14.4. – 30.5.2011