Im Kölnischen Kunstverein

Cesary Bodzianowski

erschienen am 29.03.2005 auf artnet.de (mit Abbildungen): artnet.de/magazine/cesary-bodzianowski-im-kolnischen-kunstverein

Die Personenbeschreibung des Herrn Wohnblock unterscheidet sich nicht von anderen. Er ist groß, geräumig, etwas schwerfällig und schläfrig. (...) Sein Leben war immer monoton, grau und festgefahren. Ich erinnere mich aber, dass er eines Tages eine kleine schicke Figur auf der anderen Seite der Straße bemerkte. Von da an konnte er nicht länger ruhig an seinem Platz stehen. Er begann mit dem Licht zu spielen, löschte es und entflammte es wieder, um ihr damit Zeichen zu geben. Die Villa, anfangs und noch viele Jahre später seinen Avancen gegenüber gleichgültig, überwand sich eines Tages im Februar und machte ihm Äugelchen.

Öd und leer liegt der Ausstellungssaal da. Noch nicht mal das Licht ist eingeschaltet. Die langen Glasfronten zu beiden Seiten erlauben die Sicht nach draußen, und da sich nichts im Raum zu befinden scheint, schweift der Blick gerne hinaus ins allmählich frühlingserwachende Köln, um kurz darauf irritiert in den Raum zurückzukehren – die Kunst muss hier doch irgendwo sein.

Ein unscheinbares Blatt Papier an der Wand neben der Tür erweckt schließlich die Aufmerksamkeit. Darauf hat Cesary Bodzianowski eine kryptische Mitteilung über einen Herrn Wohnblock und seinen Schwarm, die Villa, hinterlassen. Ergänzt wird diese durch eine weitere Notiz am anderen Ende des Raumes, den es dafür in seiner ganzen Länge zu durchschreiten gilt. Fantasie ist vonnöten, um die verrätselte Sehanleitung zu entschlüsseln: Gegenüber dem Kunstverein steht ein großes Wohngebäude, „Herr Wohnblock“. Wenn einer seiner Bewohner das Licht im Hausflur anschaltet, geht wenige Sekunden später das Licht im Ausstellungsraum des Kunstvereins – der „Villa“ – an. Dies funktioniert natürlich nur bei Dunkelheit, dafür aber die ganze Nacht hindurch und außerhalb des Ausstellungsraumes so gut wahrnehmbar wie innerhalb.

Es ist ein unspektakuläres und nur für die Eingeweihten ersichtliches Spiel, das sich wie so viele Aktionen und Interventionen Cesary Bodzianowskis an der Grenze zu Sentimentalität, Albernheit und durchaus auch Langeweile bewegt – Aspekte, die beim heutigen Kunstbetrachter oftmals Unwillen hervorrufen. Aber da Bodzianowski selbst offenkundig keine Angst davor hat, gibt man sich der Poesie des Lichtspiels gerne hin – einem schwer zu beschreibenden Gefühl der Aufregung, wenn auf der anderen Seite der Straße das Licht im Hausflur angeht und kurz darauf als Antwort der gerade noch dämmrige Saal um einen herum im hellen Licht aufscheint.

Cesary Bodzianowski (*1968), der in seiner Heimat Polen als der bekannteste Gegenwartskünstler gilt, gehört hierzulande noch nicht zu den großen Namen. Mehr als allem anderen ist dies wohl seiner konsequenten Verweigerung gegenüber den Gesetzmäßigkeiten des Kunstmarktes und der daran orientierten Ausstellungspraxis zuzuschreiben. Bodzianowski stellt nichts her im Sinne einer (verkäuflichen) Gegenständlichkeit. Seine Arbeiten sind ephemerer Natur und entstehen oft spontan und fast immer völlig unbemerkt von der kunstsinnigen Öffentlichkeit, nur fotografisch oder filmisch dokumentiert von seiner Frau, der Fotografin Monika Chojnicka.

So stellt sich bei der Vorbereitung einer Bodzianowski-Ausstellung wohl zuallererst die Frage, was man überhaupt zeigen kann. Und fast scheint es, als wäre das Riphahn-Gebäude „Die Brücke“, in dem der Kölnische Kunstverein untergebracht ist, wie gemacht für die Lösung dieses Problems: der Kunstverein verfügt hier über einen eigenen Kinosaal, in dem nun eine von der Direktorin des Kunstvereins Kathrin Rhomberg intuitiv getroffene Auswahl dokumentarischer Fotos als halbstündige Dia-Schau gezeigt wird, die Bodzianowski zur Eröffnung der Ausstellung selbst kommentierte. Die dabei aufgenommene Tonspur gehört nun zur Präsentation dazu.

Es sind Bilder kleiner Aktionen und Interventionen, denen gemeinsam ist, dass sie gewohnheitsmäßige Vorgänge und Zusammenhänge aufbrechen – wenn etwa Bodzianowski eines Morgens auf den Fahrer eines Kranwagens stößt und ihn bittet, ihn im Krankorb zu den Fenstern des 5. Stocks eines Wohnhauses emporzuheben, damit er dort an die Fensterscheiben klopfen und den Bewohnern eine guten Morgen wünschen kann, oder wenn er als Beitrag zu einer Galerieausstellung in Lublin die Angestellten überredet, sich während der Öffnungszeiten einschließen zu lassen und ihre Arbeit einzustellen, während er selbst einen Spaziergang durch die Stadt macht.

Obwohl es heutzutage Künstler ephemerer Kunstwerke erfreulicherweise auch in den deutschen Pavillon auf der Biennale in Venedig schaffen, beeindruckt es doch, mit welcher Konsequenz Cesary Bodzianowski sich den Regeln des Kunstbetriebes entzieht und ja nicht nur willige Kunstkäufer und eifrige Kunstbetrachter provoziert, sondern damit auch ganz persönliche Einschränkungen in Kauf nimmt: der polnische Kunststar lebt mit Frau und Kindern in einer Einzimmerwohnung ohne Telefon in Lodz. Und es kann durchaus wehmütig stimmen, dass diese Konsequenz eine notwendige Voraussetzung ist für das herzerwärmende Erleben des zarten Flirts von Herrn Wohnblock und der Villa.

Ist dieses Spiel ein Ausdruck von Sympathie oder von Eifersucht zwischen den beiden Gebäuden? Verfügen die Gebäude über eine Seele, so wie die sie bewohnenden Lebewesen eine Seele haben? (...) Bleibt uns nichts anderes übrig als passiv und unbeweglich wie Betonklötze zu verharren, zu beobachten und uns zu fragen, warum sie das machen?

Noch bis zum 1. Mai 2005 im Kölnischen Kunstverein, Die Brücke, Hahnenstraße 6, 50667 Köln