Jutta Koether im Kölnischen Kunstverein
Hysterisch, metallisch, weiblich
erschienen am 4. Juli 2006 auf artnet.de: artnet.de/magazine/jutta-koether-im-kolnischen-kunstverein/
(leicht abgeändert unter dem Titel "Die Begegnung von Gehirn und Weltall" erschienen in INTRO #140, Juli 2006, online: intro.de/magazin/kunst/23036146/jutta-koether-fantasia-colonia-die-begegnung-von-gehirn-und-weltall)
Die gesamte „Brücke“ hat sie besetzt – vom Untergeschoss über den Kinosaal und das Treppenhaus bis zum Dach draußen an der Feuerleiter bespielt Jutta Koether den Kölnischen Kunstverein. „Fantasia Colonia“ heißt die Ausstellung, die der Kunstverein der 1958 in Köln geborenen und seit Anfang der 1990er Jahre in New York lebenden Künstlerin ausrichtet und die etwa 70 Werke der letzten zwanzig Jahre umfasst. Zu sehen sind Gemälde, Installationen, Dias und Videos von Performances und Aktionen.
Gerne wird Jutta Koether als scharfsinnige Theoretikerin und besonders als feministische Antwort auf die Künstlerhelden der 1980er Jahre – Martin Kippenberger, Albert Oehlen oder Sigmar Polke – gehandelt. Sie selbst bezeichnet sich in erster Linie als Malerin, wenngleich sie nicht verleugnen kann, dass sie immer auch eine Frau des Wortes war. Dies schlägt sich nicht zuletzt in ihrer Mitherausgeberschaft der Musik- und Popkulturzeitschrift Spex in den 1980er Jahren und ihren zahlreichen kunsttheoretischen Beiträgen und Künstler-Interviews nieder. Auch in den im Kunstverein gezeigten Werken spielt immer wieder die Sprache eine große Rolle, entweder direkt ins Bild hineingeschrieben oder aber als vielsagender Titel der Malerei hinzugefügt – wie bei einer der aktuellen Arbeiten Eternal Feminine (Hysterisch, Metallisch, Weiblich – nach Cezanne, 2. Version), Öl auf Leinwand, roter Faden, 160 x 200 Zentimeter. Doch ist nicht das Wort, sondern die Farbe der Ort, an dem sich mein Gehirn und das Weltall begegnen, gibt ein kleinformatiges Bild Auskunft, in dessen Zentrum ein tief orangefarbenes Metallstück leuchtet. Gezeigt wird es innerhalb einer Installationen mit Stellwänden auf der Bühne des Theatersaales im 1. Stock, den Koether ebenso eigenwillig eingenommen hat wie die anderen Räume der „Brücke“.
Die Ausstellung beginnt im Kinosaal im Erdgeschoss, dessen Dunkelheit von einer Dia-Show erleuchtet wird. Ringsum an den Wänden sind im Zwielicht nahezu 200 Gemälde zu erkennen und es ist nur zu ahnen, dass sie es sind, die als Dias auf die Kinoleinwand projiziert werden. Diese für die Ausstellung entwickelte Präsentation der 2003/04 entstandenen Bilder „Fresh Aufhebung“ veranschaulicht aufs beste, worum es Jutta Koether in ihrem Werk und Denken geht: die Untersuchung der Funktionen von realen und ideellen Räumen, der Verbindungen der Malerei zu anderen Systemen wie Kino, Musik, Politik und damit die Bedingungen für den Diskurs, innerhalb dessen sich Künstler – Menschen – verorten müssen.
Dieses vernetzende Denken, das heute so gerne „Crossover“ genannt wird, wirkte zu Beginn der Karriere von Jutta Koether auf viele noch irritierend und brachte ihr den Vorwurf ein, nicht fokussiert zu sein. In einem Werk wie dem ihren aber liegt der Fokus natürlich nicht in den medialen Formen, sondern vielmehr in einem theoretischen Kern, der womöglich am ehesten als Streben nach Erweiterung in jegliche Richtung zu bezeichnen wäre. Seit jeher strebt Koether dezidiert das Entwickeln eines eigenen Vokabulars an. In einem Interview äußerte sie: „Es geht um den Künstler als Ergebnis der Diskurse und Abläufe, die ihn informieren. Die Wahl zu haben, bewirkt sowohl eine Einschränkung als auch eine Definition der Subjektivität eines Künstlers.“
In ihrem Geschlecht gründet sich das Bewusstsein, „sowieso in kein Vater/Sohn-Muster“ zu passen und damit auf einen berühmten Künstler als Referenzfigur verzichten zu müssen. Indem sie sich damit aus dem kunsthistorischen Bezugssystem ausschließt, schöpft Jutta Koether angstfrei aus dem Bilderschatz berühmter Künstler. Im Untergeschoss des Kunstvereins finden sich die roten Bilder aus den 1980er Jahren, die ungeniert Anleihen bei Manet, Cezanne oder van Gogh machen. Darunter ein Bild von 1990, auf dem untereinander geschrieben steht: „Cezanne, Courbet, Manet, van Gogh, ich“. Performances nutzt Koether, um Musik, Sprache und Bild zusammenzubringen. Dabei spielt die Künstlerin selbst am Keyboard, liest eigene und fremde Texte und spricht frei. Oft wirkt dies alles auf unbestimmte Weise zuviel, ausufernd, seltsam enthemmt und der beim Zuschauen entstehende Drang zu gehen ringt permanent mit dem Wunsch zu bleiben und dabei zu sein.
Das manchmal schwer erträgliche „Zuviel“ beinhalten auch viele der Gemälde, die meist in installativen Zusammenhängen inszeniert werden – in der Halle des Kunstvereins beispielsweise an einer langen, blitzförmigen Plexiglaswand. Der Malgestus scheint oft ungezügelt, die Farben wirken grell, die Bilder sind dicht gehängt und eben im ganzen Haus zu finden – Jutta Koether überall. Das muss man aushalten können. Sollte man auch.
„Fantasia Colonia“, Jutta Koether, Kölnischer Kunstverein. Bis 13. August 2006.
Vom 19. Januar bis 11. März 2007 in der Kunsthalle Bern