Bettina Disler, Conference of Confessions

August 2010

Wo es Macht gibt, gibt es Widerstand.
Und doch oder vielmehr gerade deswegen liegt
der Widerstand niemals außerhalb der Macht.
Michel Foucault

In den ersten Bildern von Conference of Confessions (2010, Video, 5 min.) sind nur einzelne Körperteile und schemenhafte Gestalten zu sehen, dann deutlicher eine Frau und ein Mann in einem Bett, in neutralem (unschuldigen?) Weiß gekleidet, liebevolle Gesten austauschend. Dazu aus dem Off Geräusche und Stimmen: das Rascheln von Laken, Lachen, sein Keuchen, ihr schnelles Atmen, das Klatschen wie von einer Ohrfeige, seine deutlich zu verstehenden „Aua“-Rufe, ihr Kichern. Wenn sich die Kamera schließlich entfernt, ist zu erkennen, dass es sich bei dem Geschehen zwischen den Laken um eine Rauferei handelt. Die schlichte Matratze ist die Bühne für ein zunehmend aggressives Spiel über Vertrauen und Macht. Zwischendurch erscheint ein Schriftzug über dem Bild: „Do you know what I mean?“ – „Weißt du, was ich meine?“

Konkrete Beziehungen zwischen einzelnen Menschen stehen im Mittelpunkt aller Arbeiten Bettina Dislers. Das Verhältnis zwischen zwei Individuen wird hier verstanden als kleinste gesellschaftliche Einheit und somit als repräsentativ für das Gesamtgefüge, in dem wir uns alle bewegen. Mit anderen Menschen zu interagieren, innerhalb der Gesellschaft zu handeln, und sei es in noch so privatem Rahmen, bedeutet immer eine Verhandlung mit anderen, Rücksichtsnahme, Kompromiss, Prüfung der eigenen Position und der Haltung der anderen. Zwangsläufig führt dies zu Reibung, Konflikt, zu Machtkämpfen.

Für diese komplizierten Beziehungen hat Bettina Disler ein eingängiges und klassisches Bild gefunden: das sich neckende Paar. Vermeintlich spielerisch testen sowohl Frau als auch Mann die eigene Kraft und Geschicklichkeit sowie das Verhalten und die Toleranz des Partners aus. Immer ernster und rücksichtloser scheint das Spiel zu werden, bis schließlich beide erschöpft nebeneinander liegen. Dass dies jedoch nur einen vorläufigen Stillstand bedeutet, ist deutlich zu spüren – die Spannung zwischen Hingabe und Ermächtigung, zwischen Selbstaufgabe und Verantwortungsbewusstsein und zwischen Nähe und Distanz bleibt unverändert bestehen.

Während in früheren Epochen die Machtverhältnisse – zwischen Souverän und Untertan, Mann und Frau, Herr und Bedienstetem – eindeutiger waren, sind sie dank historischer Entwicklungen unklarer geworden; ein frontales Gegenüber von Macht und Ohnmacht gibt es nicht mehr. Souveränität und damit Verantwortung liegen letztlich beim einzelnen und müssen von Fall zu Fall neu verhandelt werden.

In Conference of Confessions kommt die Rauferei ohne Worte aus, und doch schwebt über allem die Frage: „Weißt du, was ich meine?“ – Das Bedürfnis nach Verständnis und Mitgefühl als ein zutiefst menschliches liegt nicht nur jeder echten Partnerschaft, sondern allen Kooperationen innerhalb eines gesellschaftlichen Gefüges zugrunde, welches nicht auf die Mechanismen von Angst und Unterdrückung baut. Häufig zeigt sich Macht als Verantwortungsbewusstsein, Empathie, Belohnung oder Befriedigung von Bedürfnissen. Das erschwert es, herrschende Machtverhältnisse zu durchschauen. Diese einerseits kenntlich zu machen und andererseits sich selbst als Individuum mit Anteil an dieser Macht zu begreifen, gehört zur wichtigsten Verantwortung des selbstbestimmten Menschen in unserer Gesellschaft.
Do you know what I mean?