Stefan Burger

Der unschuldige Betrachter läuft vor die Wand

Erstmals veröffentlicht in: Kölner Stadtanzeiger, April 2008

URL: http://www.ksta.de/html/artikel/1209912107830.shtml

Die Galerie Marion Scharmann zeigt Werke von Stefan Burger. Seine Ausstellung zeigt neben Fotos, auch eine Videoprojektion und installative Arbeiten, die sich mit der Beziehung zwischen Betrachter und Werk beschäftigen.

Betritt man den Ausstellungsraum von Marion Scharmann in der Schaafenstraße, dann läuft man erst einmal gegen eine Wand. Keine Frage - dies ließe sich leicht mit dem Gefühl vergleichen, das manchen Betrachter beim Anblick manch zeitgenössischen Kunstwerks beschleicht, Stefan Burger (geboren 1977) aber lässt den Besucher nicht stehen, sondern führt ihn über einen Durchgang entlang der Bretterwand ins Innere der Galerie. Von hier aus hat man Zutritt zu einem verdunkelten Filmvorführraum, dem man sich gleichsam vom Backstage-Bereich aus genähert hat. 

Der in Baden geborene und in Zürich lebende Künstler hat ebendort Fotografie studiert. In seiner aktuellen Ausstellung bei Marion Scharmann aber zeigt er nicht nur Fotos, sondern auch eine Videoprojektion und installative Arbeiten, die sich allesamt mit Fragen nach der Beschaffenheit von Raum und der Beziehung zwischen Betrachter und Werk auseinandersetzen, wie beispielsweise das Bild „drinnen vor der Tür“, das die Nahaufnahme einer Schlüssellochabdeckung zeigt. Besonders Spaß macht das achtminütige Video „Abstraktion und Blattmimese I“, in dem ein Chamäleon sehr zögerlich und unendlich langsam einen nachgebauten Modell-Kunstausstellungsraum betritt. Der Titel der Ausstellung, „The Innocent Eye Test“, bezieht sich auf ein Gemälde gleichen Namens des amerikanischen Künstlers Mark Tansey (geboren 1949), der als wichtiger Vertreter figürlicher Malerei gilt. 

Auf Tanseys Gemälde von 1981 ist eine Kuh zu sehen, die einem großen Gemälde von zwei Ochsen gegenübergestellt wird. Umringt wird sie von Wissenschaftlern, die offensichtlich aufmerksam die Fähigkeiten ihres „unschuldigen Auges“ testen, so wie in Stefan Burgers Video das Rezeptionsverhalten des Chamäleons angesichts moderner Kunst untersucht wird.
Anders als Tanseys Kuh jedoch, die - sei es aufgrund der medienimmanenten Bewegungslosigkeit oder aufgrund ihres Kuh-Naturells - der Konfrontation mit den gemalten Ochsen standhält und sie unverwandt ansieht, beschließt Burgers Chamäleon schon vor dem eigentlichen Betreten des Modellmuseums, also vor der Konfrontation mit den Kunstobjekten, doch lieber gleich zur Seite wegzuschleichen und sich aus dem Bild zu stehlen - so wie sich der Galeriebesucher zunächst am Ausstellungsraum entlanggedrückt hat und es auch beim Verlassen der Galerie wieder wird tun müssen. Im Unterschied zum Chamäleon hat er (hoffentlich) die Konfrontation mit den Kunstwerken nicht gescheut und ist sich dadurch womöglich der Verhältnisse zwischen innen und außen, unschuldig und abgeklärt, Betrachter und Kunst bewusster als zuvor (Preise 2300 bis 4500 Euro).