KölnShow2

Kuckuckseiersuche

„... was einmal über heute gesagt werden wird: KölnShow2“, Ausstellung der European Kunsthalle in Kölner Galerien. Vom 19. April bis 26. Mai 2007

erschienen am 20. April 2007 auf artnet.de: http://www.artnet.de/magazine/kolnshow2/

1990 – in einer Zeit, in der Köln neben New York als Zentrum zeitgenössischer Kunst galt – taten sich neun Kölner Galerien zu einer Ausstellung zusammen. „Nachschub“ hieß die damalige Ausstellung im Untertitel und stellte Künstlerinnen und Künstler vor, die am Beginn ihrer Karriere standen. So demonstrierte die Kölner Kunstszene ihren Anspruch auf Geltung und Avantgarde. Die Show gilt inzwischen als legendär, zumindest unter den Kölner Galeristen.

Nur wenig später brach der Kunstmarkt ein, die politischen und sozialen Bedingungen für die Produktion von Kunst veränderten sich massiv und Berlin verdrängte Köln aus seiner Position als wichtigste deutsche Kunststadt. Mit dieser Entwicklung hadert die Kölner Szene noch immer, auch wenn sich gerade in den letzten Jahre zeigt, dass die Rheinstadt mit ihren vielen ansässigen Künstlern, neu gegründeten Galerien und unabhängigen Künstlerinitiativen nach wie vor das Zeug zum Hotspot hat. Dieses Potenzial – von den Kölnern angesichts nach Berlin abwandernder Galerien und oftmals unbefriedigender städtischer Kulturpolitik gerne übersehen – nutzen die Veranstalter der am Mittwoch eröffneten „KölnShow2“. Gleichzeitig mit der ins Frühjahr verlegten Art Cologne zeigen ab dieser Woche 18 Kölner Galerien die gemeinsame Ausstellung „KölnShow2... was einmal über heute gesagt werden wird“.

Wie 1990 beteiligen sich daran auch die Galerien Gisela Capitain, Daniel Buchholz und Sprüth Magers (damals Monika Sprüth Galerie). Ein entscheidender Unterschied zur damaligen Ausstellung ist die Einsetzung einer kuratorischen Leitung: Nicolaus Schafhausen – Direktor des Witte de With und Kommissar des deutschen Pavillons auf der diesjährigen Biennale in Venedig – und sein Co-Kurator Florian Waldvogel zeichnen verantwortlich für das Ausstellungskonzept. Nach „Modelle für Morgen: Köln“ (noch bis zum 28.4. in der ganzen Stadt) ist dies Schafhausens zweite und zugleich letzte Ausstellung als Gründungsdirektor der European Kunsthalle, die als Kunsthalle ohne Ort in den letzten Jahren ein lebendiges Forum für Diskussionen und Projekte zum Stand aktueller Kunst darstellte.

Die an der „KölnShow2“ teilnehmenden Galeristen sind in einer für sie ganz ungewohnten Situation, denn sie vertreten für die Dauer der Ausstellung jeweils eine künstlerische Position, die sie sich nicht selbst ausgesucht haben. Erst wenige Wochen vor Beginn erfuhren sie von den Kuratoren, welchen künstlerischen Beitrag sie präsentieren werden. Darauf setzte bei den meisten eine intensive Zusammenarbeit mit den Künstlerinnen und Künstlern ein, die zu teilweise dezidiert raumspezifischen Arbeiten führte: In der Galerie Daniel Buchholz hilft das Galerieteam bereitwillig bei der Suche nach den Objekten, Fundstücken und Installationen, die der kanadische Künstler Garreth Moore (geb. 1975) zwischen den Büchern im zur Galerie gehörigen Antiquariat eingefügt hat. Sogar in der Bibliothek im Keller findet sich noch eine Vitrine mit abgeschnittenen Ärmeln nebst Kippenberger-Buch.

Der Amerikaner Andrew Schoultz (geb. 1975) schuf ein großes Wandgemälde für das Büro von Linn Lühn, das auch die Deckenstütze mit einbezieht und zu den schönsten Werken der Show gehört. Es verträgt sich erstaunlich gut mit der gerade laufenden William-N.-Copley-Präsentation im eigentlichen Ausstellungsraum. Michael Janssen kann das erste Mal seinen unter ausstellerischen Gesichtspunkten problematischen Eingangsbereich bespielen – mit der Soundinstallation Thunder der britischen Künstlerin Hannah Rickards (geb. 1979). Alle paar Minuten grollt lautes Donnern durch den Raum und fast könnte man meinen, die niedrige Decke falle einem auf den Kopf.

Wie in einem Schmuckkästchen (oder in der Abstellkammer?) hat die Galerie Rehbein ihren KölnShow-Beitrag untergebracht. In einem kleinen Raum mitten in der Galerie präsentiert der vietnamesische Künstler Tuan Andrew Nguyen (geb. 1967) konzeptuell wie inhaltlich reizvolle Arbeiten: Zwei Gemälde, die er à la Kippenberger nach Vorlagen von einem regierungskonform ausgebildeten Maler malen ließ, mit anschließend eingefügten Graffiti und ein Video, das sich dokumentarisch der Graffitiszene Vietnams nähert. Eine kleine Gruppenausstellung ist bei Sprüth Magers zu sehen, die als einzige Galerie der „KölnShow2“ ihren großen Ausstellungsraum zur Verfügung stellt. In dieser Präsentation mit Simon Dennys (geb. 1982) fragilen Skulpturen, Pere Lloberas (geb. 1970) Bildern und João Onofres (geb. 1976) Video wird einmal mehr deutlich, wie schwierig es ist, Kunstwerke verschiedener Medien in einem Raum unterzubringen, wenn man auf die ungeliebte Black Box verzichten möchte. Ob alle diese Arbeiten zeigen, was „morgen über heute zu sagen sein wird“, sei dahingestellt.

Die bizarren Figuren aus geschnittenem, bemalten und geklebten Papier des armenischen Künstlers Karen Sargsyan (geb. 1973) im hinteren Raum bei Christian Nagel sind zwar wunderschön, wirken jedoch inhaltlich etwas unklar – der Künstler selbst beschreibt die Szene aus großen und kleinen Figuren als Darstellung von Göttern und Menschen. Ganz offensichtlich artikuliert sich das Ausstellungsthema in Germaine Kruips (geb. 1970) Diainstallation Image Archive bei Mirko Mayer, in dem sie je zwei Bilder aus Zeitungen und Magazinen zu Doppeltableaus zusammenfügt. Die kompositorisch frappierende Ähnlichkeit der Arbeiten wirft Fragen nach der Glaubwürdigkeit und den Kriterien journalistischer Berichterstattung auf.

Übrigens stehen alle Werke zum Verkauf. Wie teuer die jeweiligen Arbeiten sind, vermochte kurz vor Eröffnung allerdings noch fast keine Galerie zu sagen – ein Symptom des ungewöhnlichen Ausstellungskonzepts, das sich auf der Grenze zwischen institutioneller Kunstpräsentation und Verkaufsausstellung bewegt. Auffällig dabei, dass die meisten Galeristinnen und Galeristen im Gespräch beinahe nervös auf die Frage nach dem Preis reagieren, als sei es anstößig, die ausgestellten Werke auch zum Verkauf anzubieten. Der Erlös geht in einen gemeinsamen Pool, aus dem später alle Galerien zu gleichen Teilen versorgt werden, unabhängig davon, wie viel jede einzelne verkauft hat von der Kunst, die ihr ins Haus kam. Übernehmen wird diesen finanziellen Teil ein Steuerbüro, die European Kunsthalle hat damit nichts mehr zu tun. Für sie wurde auf der am Eröffnungsabend der Messe erstmalig stattfindenden „Cologne Art Gala“ mit einer Kunsttombola Geld gesammelt. Noch werden keine Zahlen bekannt gegeben, aber man sagt, es sei „ganz schön was zusammen gekommen“. Endlich tritt die Kölner Galerienszene einmal wieder im großen Stil gemeinsam auf und zeigt, was sie kann. In solchen Zeiten lacht das lokalpatriotisch gesinnte Kunstliebhaberherz, denn mit Fug und Recht ist zu sagen: Kommt nach Köln, es lohnt sich.

Die Galerien der „KölnShow2“ sind BQ, Daniel Buchholz, Luis Campaña, Gisela Capitain, Fiebach & Minninger, Frehrking Wiesehöfer, Vera Gliem, Hammelehle und Ahrens, Michael Janssen, Johnen + Schöttle, Linn Lühn, Mirko Mayer, Christian Nagel, Thomas Rehbein, Sabine Schmidt, Schmidt Maczollek, Otto Schweins und Sprüth Magers.

Ein begleitendes Katalogheft liegt in den Galerien aus.„KölnShow2 – Plötzlich diese Übersicht“: Talk mit Jörg Heiser und Uta Grosenick, moderiert von Vanessa Joan Müller, am 22. April um 15 Uhr in der KölnShow2-Lounge. Die KölnShow2-Lounge findet statt vom 14. bis 22. April 2007 im Salon Schmitz in der Aachener Straße 28