Arme Künstler

in: Kunstzeitung 10, 2010, S. 14 (unter dem redaktionell vergebenen Titel: Darben wie einst Spitzwegs "Armer Poet")

Wovon leben eigentlich bildende Künstler heutzutage? Und zwar nicht die oberen 1000, die von Galerien vertreten werden und gut von den Verkäufen ihrer Werke leben können, sondern die große Masse der anderen, die noch nicht dick im Geschäft sind.

Wenn man mal herumfragt, wird schnell klar, dass die Grenze zwischen den Künstlern, die problemlos von ihrer Kunst leben können, und denen, die kaum ihre Miete von ihren Einkünften bezahlen können, sehr viel weiter oben verläuft als gedacht. Heißt: auch Künstler, die zum Stamm erfolgreicher Galerien gehören und regelmäßig in institutionellen Ausstellungen zu sehen sind, haben mitunter gravierende Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu verdienen, und müssen neben der meist zeitintensiven und energieraubenden künstlerischen Arbeit Brotjobs nachgehen.

Das Bild des armen Künstlers ist aktuell wie immer. Nur fehlt ihm in einer Zeit, in der sich alle über ihr Vielbeschäftigtsein definieren, längst der romantische Anstrich. Künstler klagen zwar oft darüber, aber nur unter vier Augen. „Man möchte ja auch nicht so dastehen, als wäre man in Not“, sagt eine Kölner Videokünstlerin, die als durchaus vielbeschäftigt zu bezeichnen wäre und trotzdem zu kämpfen hat. „Von den Ausstellungshäusern gibt es meist keinen Zuschuss für gar nichts, schon gar nicht ein Honorar“, erzählt sie und fügt, als sei es eine Entschuldigung hinzu: „Allerdings muss ich sagen, dass die Präsentation meiner Arbeiten meist einen hohen technischen Aufwand erfordert und das Geld dann dahin fließt. Da bin ich oft schon froh, wenn überhaupt das technische Mindestmaß geleistet wird.“ Gerade für Video- und Installationskünstler besteht ein Problem: Während Gemälde und Fotografien relativ leicht transportiert und installiert werden können, ist die Einrichtung einer räumlichen oder technikbasierten Arbeit ungleich aufwändiger und teurer. Meist muss der Künstler oder die Künstlerin dann selbst anreisen, um die Installation persönlich vorzunehmen. Bezahlt wird er oder sie dann normalerweise nicht dafür. Und nach Ende der Ausstellung wird das Werk wieder abgebaut, mitunter auch zerstört, wenn es sich um eine ortsspezifische oder ephemere Arbeit handelt.

Künstler sind darauf angewiesen, ihre Arbeiten in öffentlichen Räumen zu zeigen, um sichtbar zu werden. Das Erstrebenswerteste ist ohne Zweifel, in einer öffentlichen Institution ausstellen zu können – und natürlich möglichst in einer der ganz großen. So können sich Museen leisten, Künstlern nichts für ihre Arbeit vor Ort zu zahlen – „Angeboten wird generell eigentlich null“, bestätigt ein Hamburger Installationskünstler – mit dem Argument, dass es letztlich für die Künstler gut ist, wenn ihre Werke gezeigt werden, und gleichzeitig sogar ihr Marktwert dadurch steigt. Das stimmt ja auch. Nur kann man von Ruhm und Ehre so schlecht die Miete zahlen.

„Häufig wird auch von Honorar gesprochen, obwohl der Etat für Transport, Übernachtung, Material und Fahrtkosten gemeint ist“, berichtet eine Videokünstlerin aus Berlin, „als ich neulich in einem kleinen Kunstverein ausstellte, gab es ein Gesamtbudget von 3000 Euro - was übrig blieb, war dann meins. Wieviel das war, kann man sich ja vorstellen.“
Dies ist in deutschen Museen eine sehr übliche Praxis: es gibt für die Realisierung einer bestimmten künstlerischen Arbeit ein bestimmtes Budget, das alle Kosten von Materialeinkauf bis Abreise nach der Eröffnung decken muss. Wie Künstler nun einmal sind, sparen sie nicht unbedingt an Material und Technik für ihr Werk, sondern suchen hierfür die bestmögliche Lösung und reisen dafür mit der Mitfahrgelegenheit an, schlafen bei Freunden und haben am Ende doch nichts übrig, was als „Honorar“ gelten könnte. Als junger Künstler mag das noch ganz witzig sein, „aber irgendwann ist man es leid“, sagt die Berliner Videokünstlerin, inzwischen Mutter von zwei Kindern. Zumal wenn man ab einem gewissen Alter auch alle anderen Geldquellen wie Residenzen, Stipendien und Preise ausgeschöpft hat und der ganz große Durchbruch noch auf sich warten lässt.
Zu den Rätseln der Budgetierung in öffentlichen Häusern gehört, dass oftmals ein Honorar für den technischen Assistenten, der die Installation einrichtet, vorgesehen ist. Deshalb schicken inzwischen einige Künstler nur noch ihre Assistenten zum Ausstellungsaufbau, anstatt selbst zu kommen. Das ist weder für das Werk noch für das Museum geschweige denn für den Künstler selbst ideal.

Was also tun? „Wenn Künstler anfangen, Gagen zu fordern“, gibt eine Museumskuratorin aus Nordrhein-Westfalen zu bedenken“, dann werden wir vielleicht irgendwann unsere Auswahl danach richten müssen, wie preiswert ein Künstler ist. Das wäre in einem öffentlichen Museum natürlich mehr als problematisch.“ Das stimmt. Und so lange es dafür keine Lösung gibt, müssen die Künstler wohl weiter hungern. Oder aber mal zumindest Forderungen stellen – damit ihnen nicht dasselbe passiert wie einem isländischen Künstler kürzlich in Belgien: Er war fest davon ausgegangen, dass es für die Teilnahme an einer Ausstellung mal wieder kein Honorar geben würde. „Deshalb habe ich gar nicht erst gefragt, bevor ich mit der Arbeit angefangen habe.“ Am Tag der Vernissage dann erfuhr er von einem ebenfalls beteiligten Künstlerkollegen, dass dieser von den Organisatoren eine Aufwandsentschädigung gefordert und bekommen hatte. Und zwar keine kleine.