Der Nährboden für intelligente Ausstellungen

Interview mit  Michael Eissenhauer, Direktor der Staatlichen Museen zu Berlin, Berlin, 30. Januar 2009
für die Kunstzeitung, erschienen in: Kunstzeitung, Februar 2009


Barbara J. Scheuermann: Es fällt auf, dass Sie sich in Gesprächen zu Ihrer neuen Rolle als Generaldirektor der Berliner Museen immer sehr stark auf Ihren Vorgänger beziehen – was behalten Sie bei, was werden Sie anders als Klaus-Peter Schuster machen?

Michael Eissenhauer: Angesichts der Größe und der enormen Komplexität der Staatlichen Museen wäre es meiner Meinung nach Etikettenschwindel, wenn nun einer käme, der behauptete, er habe das Rad neu erfunden. Es kann höchstens eine Bestärkung von Aspekten geben, die schon da sind, und eine Bestärkung und Unterstützung derjenigen, die die kuratorischen Aufgaben haben.

Zu diesen Aufgaben gehören: Sammeln, Bewahren, Ausstellen. Nun geben die Staatlichen Museen in ihrer Broschüre zur Forschung im Museum „Forschen“ als vierten Punkt an – aber geht im Museum das Forschen nicht ohnehin einher mit dem Ausstellen, Sammeln und Bewahren?

In Gesprächen sagen mir Museumsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen immer wieder, man käme im täglichen Museumsgeschäft nicht zum eigentlichen. Und dann frage ich natürlich, was wäre denn das eigentliche? Und dann wird etwas beschrieben, was eher mit dem Studium im klassischen Sinne zu tun hat: nämlich Forschen im Sinne des Niederschreibens von Erkenntnissen, die sich aus einer abstrakten Beschäftigung mit Fragestellungen ergeben. Ich meine jedoch, Forschen im Sinne des Museums heißt, die Kenntnis über die Sammlung und über das Material zu vertiefen, also mit neuen Fragestellungen das bekannte Material zu betrachten. Forschung im Museum sollte sich nicht nur in Publikationen niederschlagen, sondern der Nährboden für intelligente Ausstellungen sein.
Forschen heißt für mich auch, das Bewusstsein dafür zu stärken, dass Provenienzforschung nicht nur als eine Reaktion auf das Washingtoner Abkommen zu verstehen ist, sondern dass zu dem emanzipierten Selbstverständnis des Umgangs mit unseren Sammlungen gehört, die Provenienz der Stücke als Grundnotwendigkeit zu erkennen. Wir müssen eigeninitiativ arbeiten und nicht nur re-aktiv. Die Staatlichen Museen haben hierbei eine Vorbildfunktion.

Was gehen Sie selbst als erstes Projekt an?

Wir haben viel Arbeit nach innen zu leisten. Ein neuer Stil der Kooperationen, des Zusammengehörigkeitsgefühls muss in den nächsten Jahren wachsen. Es ist wichtig klarzumachen, dass wir neben der Museumsinsel noch ein zweites festes Standbein haben werden und zwar das Kulturforum, das kein Zentrum zweiter Klasse sein wird. Neben den Sammlungen des 19. und 20. Jahrhunderts machen es auch seine Architekturen und seine Platzierung in der Stadt zu einem Symbol, zu einem Denkmal des 20.Jahrhunderts.
In diesem Jahr ist das herausragende zentrale Schlüsselereignis die Wiedereröffnung des Neuen Museums im Herbst. Das ist auch ein Epochenwechsel. Erst damit ist die Kriegs- und Nachkriegsgeschichte auf der Museumsinsel abgeschlossen.

Nun haben Sie gerade die Forschung immer wieder als fundamentalen Schwerpunkt für Ihre Museumsarbeit betont – wie wird das sichtbar werden?

Von Anfang an hat dieser Museumsverbund, schon vor 150 Jahren, eine Art Grundgesetz, gehabt, in dem ziemlich genau steht,aus welchen Organen er besteht und welche Rolle der Generaldirektor innehat. Und in diesen Statuten steht expressis verbis, dass ein wesentlicher Teil der Aufgabe der Mitarbeiter ist, einen großen Teil ihrer Arbeit auf Forschung zu verwenden. Schon vor 150 Jahren also wurde gefordert, was heute vermeintlich fürsorgliche Stadtväter und Kulturpolitiker anmahnen, nämlich, dass Museumsmitarbeiter auch forschen. Übrigens besagen die Statuten auch, dass diese Forschung nicht auf die Sammung beschränkt sein muss, jedoch dass die Sammlung klar im Vordergrund stehen muss. Ich möchte den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen das Signal geben, dass ich dies ernstnehme.
Wir intensivieren Programme, mit denen wir Wissenschaftler zwischen den Institutionen austauschen können. Wir haben Kooperationsverträge zum Beispiel mit der Max-Planck-Gesellschaft geschlossen, ein Austauschprogramm mit China, Florenz, Stipendienprogramme mit dem Metropolitan-Museum. Das zeigt, dass wir auch Teil der internationalen Community sein wollen und einen Schwerpunkt auf. Wissenstransfer legen. Wir wollen nicht nur Usurpatoren der Objekte sein, sondern das Wissen über sie mit Hilfe der Ursprungsländer teilen und mehren.
Die Sammlungen, die die staatlichen Museen haben,sind so großartig und so tiefgründig verwurzelt in fast allen Aspekten, dass es möglich ist, aus diesen Sammlungen fantastische große Ausstellungen zu machen. Wir brauchen also nicht unbedingt importierte Blockbuster-Ausstellungen. Und ich möchte den Kollegen die Freiheit verschaffen sich mit den Sammlungen beschäftigen zu können.

Und wie gewährleisten Sie das?

Indem dies als Forderung formuliert ist.

An wen?

An die Sammlungsdirektoren und die Kollegenschaft. Aus zum Teil schon laufenden Inventarisierungsprojekten soll der Wunsch folgen, eine Ausstellung aus der Sammlung zu machen. Unsere Sammlung altniederländische rMalerei ist eine der größten der Welt. Und diese Abteilung, die ein Schwergewicht innerhalb der Staatlichen Museen ist, ist noch niemals mit einer Ausstellung in den Vordergrund getreten. Ein Modell für die Zukunft soll dafür die Ausstellung sein, die mit dem Städel-Museum entstanden ist: „Der Meister von Flémalle und Rogier van der Weyden“. (Daten)

Wie ist es denn um die finanziellen und personellen Ressourcen bestellt?

Natürlich wird die allgemeine wirtschaftliche Krise aus Auswirkungen auf uns haben, aber nicht so, wie wir das aus den USA oder Großbritannien hören. Als staatliche Einrichtungen sind wir in einer privilegierten Situation. Solange in der Gesellschaft ein Konsens besteht, dass man das kulturelle Erbe bewahren und pflegen muss, sehe ich uns nicht bedroht.

Welche Rolle spielt für Forschungsprojekte privates Sponsoring?

Für unmittelbar der Forschung dienenden Projekte bekommt man sicher leichter über Stiftungen und die öffentliche Hand Zuwendungen. Es gibt aber auch Fälle wie den der Familie Oppenheim, mit deren Hilfe die Rekonstruktion....lieber Herr Rein, hier wäre es sehr nett, wenn Sie ganz kurz das Projekt umreißen könnten.

Und abschließend: welche Schwerpunkte wird es für die Gegenwartskunst geben?

Ich weiß, dass auch für Udo Kittelmann ganz klar ist, dass die Nationalgalerie mit ihren fantastischen Sammlungen nicht die Verpflichtung einer Kunsthalle hat. Die Nationalgalerie ist auch ein Ort der klassischen Moderne. Und was Udo Kittelmann sehr am Herzen liegt, ist diese wieder ins allgemeine Bewusstsein zu rücken. Wir kennen ihnen alle gut genug, um zu wissen, dass er sich die Zeitgenossenschaft nicht nehmen lassen wird. Und er und ich ziehen am selben Strang, wenn es darum geht, den Brückenschlag in andere Sammlungen hinein zu machen, zum Beispiel von der Nationalgalerie zur Gemäldegalerie, zum Kupferstichkabinett oder zum Kunstgewerbemuseum. Da wird sicher viel Spannendes kommen.