Arme Kirchenmäuse mit Bildungsauftrag

Erstveröffentlichung in: Kunstzeitung 3/2010, S. 5

Auf Ausstellungseröffnungen herrscht häufig ein seltsames – auf den ersten Blick nicht wahrnehmbares – Gefälle: zum einen gibt es da die Großkünstler, die Großsammler und die Großgaleristen. Bei denen einen sitzt die Kunst, bei den anderen das Geld beziehungsweise stecken die Kunstwerke, die das Museum als Leihgaben zur Bestückung der Ausstellung dringend braucht. Und deshalb schwänzelt um diese hohen Gäste der Rest der Party herum. Der Rest, das sind Museumsdirektorinnen, Kuratoren, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Volontäre, also diejenigen, die recht eigentlich die Ausstellung konzipiert, vorbereitet und eingerichtet haben – als Angestellte öffentlicher oder privater, mager subventionierter Bildungsinstitutionen von dem immer noch üppig fließenden Geldkreislaufes des Kunsthandelns abgeschnitten und nicht selten angewiesen auf Nebenjobs und Unterstützung durch wohlmeinende Verwandte.

Museumsvolontärinnen ist das Gefühl nur allzu vertraut, auf einem dieser piekfeinen Preview-Dinners zu sitzen, wohlwollend umdrängt von der lokalen Haute-Voleé, aus der sich der Verein der Freunde zusammensetzt, bang hoffend, dass niemand bemerkt, dass das Kleid von H&M ist und auch schon aus der vorletzten Saison. Mehr ist nämlich nicht drin bei einem Gehalt von durchschnittlich etwas mehr als 1000 Euro, brutto (!). Netto bekommen die Museumsvolontäre Deutschlands zwischen 700 und 900 raus, das bedeutet, dass ein Großteil dieser gut ausgebildeten, oft promovierten Kunsthistoriker unter der Armutsgrenze lebt – und die anderen knapp nur darüber. Ausnahmen gibt’s leider keine.

Über diesen Skandal möchte in der Öffentlichkeit aber niemand der Betroffenen sprechen, und auch die befragten Museumsleitungen sind nicht zu Auskünften bereit. „Aber es ist ganz wichtig, dass dieses Thema mal auf den Tisch kommt“, sagt eine wissenschaftliche Museumsmitarbeiterin aus Nordrhein-Westfalen und ist damit nicht die einzige, die sich so äußert. Nur seinen Namen will in diesem Zusammenhang niemand in der Zeitung sehen. „Das Thema ist auch mit viel Scham verknüpft“, erklärt oben genannte Kollegin. Angesichts solcher Äußerungen fragt man sich, ob man noch zum richtigen Thema recherchiert...

Auch die mittlere Ebene in den öffentlichen Häusern hält sich bedeckt. Hier ist zur Zeit die Gehaltsstufe TVÖD 13 – die Einstiegsstufe für Akademiker – das übliche, je nach Alter zwischen 3000 und 4400 Euro brutto, für Museumsdirektorinnen und Chefkuratoren sind auch TVÖD 14 und 15 drin – die Fahnenstange ist bei etwa 5.200 Euro erreicht. Dass zahlreiche wissenschaftliche Mitarbeiter – auch an großen, gut subventionierten Museen – für zum Teil deutlich weniger arbeiten, versteht sich von selbst.

Aber klar: wenn man hätte reich werden wollen, hätte man wohl nicht Kunstgeschichte studiert. Oder man hätte nach dem Studium nicht den Weg ins Museum eingeschlagen, sondern in den kommerziellen Bereich. „Es besteht natürlich eine riesige Kluft zwischen dem, was Kunsthistoriker in Galerien verdienen können und dem, was in öffentlichen Institutionen gezahlt wird“, sagt Antonia Josten von der Berliner Agentur LangenJosten, die sich auf die Personalberatung der Kunstbranche spezialisiert hat. Es ist wahr , dass im kommerziellen Kunstbereich die Verdienstmöglichkeiten nach oben offen sind, bemessen sie sich doch oftmals direkt am Verkauf von Kunstwerken. Das ist eben der Unterschied zwischen öffentlichem Dienst und freier Wirtschaft, also geschenkt. Umso ärgerlicher, dass es oft gerade die Galerien sind, die ihre gut ausgebildeten Mitarbeiter als gänzlich unbezahlte Praktikanten oder zu Niedriglöhnen, die sich auf dem Niveau von Aushilfskellnern bewegen, verheizen.

Eine zum Zwecke dieses Artikels erhobene Umfrage unter Kunsthistorikern verdeutlich zudem noch einmal, dass heutzutage die wenigsten im Rahmen eines Angestelltenverhältnisses geschweige denn eines unbefristeten Vertrages arbeiten. Die US-amerikanische „US News“ verkündete zum Jahresende zwar, der Job des Kurators wäre einer der aussichtsreichsten und sähe in der nächsten Dekade einem starken Wachstum entgegen. „Es ist fraglos einer der tollsten Jobs der Welt“, kommentierte eine junge Kollegin die Meldung auf Facebook“, nur, was das Geld angeht, bin ich mir nicht so sicher...“

Die Angaben über Honorare und Löhne für Projektverträge und freie Mitarbeiten liegen bisweilen extrem weit auseinander – das fängt oben bei mehreren tausend Euro (selten!) für länger dauernde Projekte an und endet unten bei 0 Euro für die Konzeption und Organisation von aufwändigen Ausstellungen (häufig).

Ganz offensichtlich haben sich trotz der veränderten Situation auf dem Arbeitsmarkt, die viele selbstständig arbeitende Kunsthistoriker hervorgebracht hat, noch nicht so etwas wie Richtwerte herausgebildet, an denen sich Auftraggeber und Arbeitnehmer orientieren können. Ist ja auch klar, wenn niemand drüber sprechen will. Für die oft absurd niedrigen Honorare müssen die Kunsthistoriker also auch die Schuld bei sich suchen: wer über Gehälter nicht spricht, weil er Arbeitsvergütung mit Scham verknüpft, wer deshalb von potentiellen Arbeitgebern für hochqualifizierte Arbeit zu wenig fordert und oftmals vollkommen unentgeltlich arbeitet – „weil es doch soviel Spaß macht“ –, braucht sich nicht zu wundern, dass der Verdienst oftmals nicht mal die Miete deckt.