60 Jahre, 60 Werke

„Sechzig Jahre. Sechzig Werke“ im Berliner Gropius-Bau 2009

erschienen in: Kunstzeitung, Juni 2009

Anlässlich des Jubiläums des Inkrafttretens der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland vor 60 Jahren eröffnete am 30. April im Berliner Gropius-Bau die Ausstellung „Sechzig Jahre. Sechzig Werke“. Gezeigt werden Kunstwerke, die in Deutschland im Schutz des seither gültigen Paragraphen 5.3 entstanden sind: „Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.“ Dies schließt, vollkommen legitim, in der DDR entstandene Werke – für diese Ausstellung – aus.


Der Rundgang durch die, chronologisch nach Dekaden angeordneten, Räume macht Freude, besonders in so feinen wie dem mit Werken von Ernst Wilhelm Nay und Hans Hartung oder dem mit Arbeiten von Sigmar Polke, der wie Gerhard Richter oder Markus Lüpertz der Ordnung halber den sechziger Jahren zugeteilt wurde. Schwierig ist wie immer das Konzept der Nationalität als Auswahlkriterium: der für die Videokunst in Deutschland so zentrale, aus Korea stammende Nam June Paik fehlt. Überhaupt, da wir gerade von Video sprechen: genau ein Video hat es in die Ausstellung geschafft und zwar von Marcel Odenbach.

Angesichts der Wichtigkeit von Video seit den siebziger Jahren ist dies mehr als bedauerlich. Body Art, Performance und Land Art sind ohne Video kaum denkbar. Und gerade viele Künstlerinnen haben in diesem Medium gearbeitet und es für die Veranschaulichung feministischer Ansätze benutzt. Diese werden übrigens in der Ausstellung komplett ausgespart – die Frage nach dem Warum muss gestellt werden, denn war und ist doch die Geschlechterfrage eines der zentralen gesellschaftlichen Themen auch in der Bundesrepublik gewesen. Dass dies in der Ausstellung so gut wie nicht sichtbar ist, liegt natürlich auch daran, dass von 60 ausgestellten Künstler nur neun weiblich sind. Diese Quote ist fast schon peinlich und gehörte zumindest erklärt. Klar, in den fünfziger und sechziger Jahren ist die Unterrepräsentation von Frauen beinahe eine Selbstverständlichkeit, aber spätestens seit den siebziger Jahren verändert sich hier doch einiges, und es wäre schön – und angemessen – gewesen diese Entwicklung in der Ausstellung abzubilden, beispielsweise mit Werken von Katharina Fritsch, Jutta Koether, Ulrike Rosenbach, Katharina Grosse, Cosima von Bonin usw.

Davon abgesehen ist „Sechzig Jahre. Sechzig Werke“ unterhaltsam und lehrreich und versammelt neben den üblichen Verdächtigen (Lüpertz, Beuys, Baselitz etc.) schöne Wiederentdeckungen, besonders aus den frühen Jahren der Republik: zum Beispiel Bruno Goller, Hans Uhlmann oder Norbert Kricke. Empfehlenswert: Die „Besucherschule“ mit dem Wuppertaler Professor für Kunst und Ästhetik Bazon Brock, die täglich um 15 Uhr stattfindet und nicht nur eine Tour de Force durch die Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts bietet, sondern auch zahlreiche Exkurse zu Philosophie, Soziologie, Wissenschaft und der persönlichen Weltsicht Brocks bietet.