Caravaggio im museum kunst palast, Düsseldorf

„Caravaggio. Auf den Spuren eines Genies“, museum kunst palast, Düsseldorf. Vom 9. September 2006 bis 7. Januar 2007

erschienen am 25. September 2006 auf artnet.de: artnet.de/magazine/caravaggio-im-museum-kunst-palast-dusseldorf

Und immer wieder die schmutzigen Fußsohlen! Bei der Lektüre der Berichterstattung über die aktuelle Caravaggio-Ausstellung im museum kunst palast in Düsseldorf drängt sich der Eindruck auf, die schmutzigen Füße der Gemalten und die schwarzen Ränder unter ihren Fingernägeln gehörten zum Bemerkenswertesten im prächtigen Werk des frühbarocken Malergenies Michelangelo Merisi da Caravaggio (1571-1610). Zudem wird immer wieder der Mythos um den Künstler als Raufbold und Rebell bemüht und mit bewunderndem Schaudern und unverhohlener Anerkennung spricht man von seiner Unangepasstheit. Dabei war der brillante Künstler nicht nur ganz offensichtlich ein Wüterich, sondern auch schlicht ein Mörder: 1606 brachte er nach einem verlorenen Schlagballspiel seinen Gegner um. Fortan befand er sich bis zu seinem Tod auf der Flucht. Etwas verblüffend also, wenn Jean-Hubert Martin in seinem Vorwort zum Katalog von Caravaggios „fast“ krimineller Energie schreibt.

Die von Jürgen Harten und dem scheidenden Direktor Jean-Hubert Martin kuratierte Ausstellung vereint knapp ein Dutzend Originale – darunter eine Reihe „neuer Zuschreibungen“ – und etwa zwei Dutzend Kopien. Nichts leichter, als an diesem Punkt anzugreifen. Und so ist denn auch prompt seit der Eröffnung immer wieder zu hören, dass ja die Hauptwerke in dieser Ausstellung fehlten. Somit sei das groß angelegte Unterfangen einer umfangreichen Caravaggio-Schau von vorneherein zum Scheitern verurteilt gewesen – die teilweise leer gebliebenen Wände scheinen es zu bestätigen. Aber muss der Umstand, dass natürlich viele der etwa 90 nachgewiesenen Caravaggio-Werke nicht mehr reisefähig sind, ein Grund sein, gar nicht erst zu versuchen, Caravaggio nach Düsseldorf zu bringen? Neben großen Enttäuschungen wie dem letztendlichen Verzicht auf die Medusa, die nun nur noch als Schwarzweißkopie im Ausstellungsraum präsent ist, erfreuen besonders die Erfolge der Kuratoren wie Johannes der Täufer (Knabe mit dem Widder) (1605/1606) oder Maria Magdalena in Ekstase (1606) das Auge. So kann man die leeren Wände – wenn sie auch der Raumatmospäre nicht gerade zuträglich sind – getrost als Zeichen kuratorischer Zuversicht werten…

Fraglos wirkt es wie ein Behelf, wenn Harten und Martin immer wieder darauf hinweisen, die Ausstellung sei vor allem ein Beitrag zur Forschung und eine Einladung an das Publikum, sich auf die Titel gebenden „Spuren“ Caravaggios zu begeben. Die Betrachtenden selbst sollen den Vergleich anstellen zwischen eindeutig zugeschriebenen Gemälden, neuen Zuschreibungen, vom Meister selbst angefertigten Kopien und den zeitgenössischen oder späteren Kopien anderer Künstler. Es komme dabei aber eben nicht auf die – ohnehin meist nicht zweifelsfrei festzustellende – Originalität der Kunstwerke an, sondern auf die der „Bilderfindungen“ des stilbildenden Malers. Auf den Bilderschildern wird folgerichtig nicht zwischen Zuschreibungen, die als gesichert gelten, unterschieden und jenen, die neueren Datums und damit oftmals noch in der Diskussion sind. Aufschluss hierüber gibt der umfangreiche und mit Erkenntnis fördernden Essays ausgestattete Katalog.

Die Hängung zeigt die verschiedenen Versionen und Kopien eines Bildes auf engem Raum nebeneinander. Damit verführt sie auch Laien von der reinen Freude an den Bilderfindungen zu kunstdetektivischen Ambitionen. Der Audioguide und die Wandtexte weisen auf Unterschiede und Feinheiten hin, die hier und da doch sehr bemüht darum wirken, das originelle Genie Caravaggios auch im malerischen Detail der Originale vor Augen zu führen, ebenso die kleine Sektion mit Vergleichsabbildungen und Röntgenaufnahmen einzelner Gemälde. Warum nicht? Konzeptuell haut es zwar nicht ganz hin, doch das dürfte die wenigsten stören.

Etwas mehr stört da schon die seltsam hellbraun-blassgraue Ausstellungsarchitektur, die mit vielen winklig gestellten Wänden eine Kabinettsituation herzustellen versucht. Das gelingt nur bedingt. Gedämpftes Licht sorgt für eine konzentrierte Atmosphäre, an mancher Stelle jedoch auch für irritierende Flecken auf den Gemälden. Fraglos sind solche Lichteffekte schwer verzeihlich bei der Präsentation eines Werkes, das insbesondere immer wieder durch seine brillante Lichtführung fasziniert.

Dennoch besticht Caravaggios Kunst auch in Düsseldorf durch ihren lebendigen Realismus, ihre kühnen Kompositionen und nicht zuletzt durch die Schönheit ihrer Modelle. Angesichts dieser Kraft und Präsenz ist leicht nachzuvollziehen, warum es der junge Künstler schaffte, binnen kurzer Zeit gar einen eigenen Stil, den „Caravaggismo“, zu prägen – und das trotz seines unsteten Lebenswandels und dem offensichtlichen Fehlen einer größeren Werkstatt. Doch genauso wie sein beeindruckendes Werk schon in der Mitte des 17. Jahrhunderts und bis ins 20. Jahrhundert hinein völlig an Einfluss verloren hatte, so fand auch Caravaggios legendenumwobenes Leben ein baldiges Ende. Er starb 1610 in der Nähe von Rom an einem Fieber, noch immer auf der Flucht vor Sanktionen für den von ihm begangenen Mord.